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Writer's pictureNeith-Hotep

Mehen – Das Spiral-Schlangen-Brettspiel


Die alten Ägypter hatten so einige Brettspiele, das bekannteste unter ihnen ist wohl das «Senet». Heute möchte ich Euch jedoch eines der ältesten Brettspiele aus dem alten Reich vorstellen, was zu einem meiner liebsten Artefakten aus dem alten Ägypten zählt, das Spiral-Schlangen-Spiel Mehen.

Das Spiel fand hauptsächlich Eingang im frühdynastischen und alten Reich (1.-6. Dynastie). In den Grab-Texten von Rahotep (altes Reich) finden wir die Erwähnung diverser Brettspiele, darunter auch Mehen, es war somit ein fester Bestandteil der allgemeinen Grabbeigaben eines Verstorbenen. Auch die Kunst und die Funde aus dieser Zeit zeugen davon, dass Mehen zu den beliebtesten Brettspielen zählte.

Mythologie

In der altägyptischen Mythologie war Mehen eine Unterwelts-, Schlangen- und Jenseitsgottheit, welche besonders im alten Reich hauptsächlich mit dem Brettspiel in Verbindung stand. Die hier gestellte Frage lautet, ob das Spiel nach dem Gott benannt wurde oder ob der Gott erst durch das Spiel erschaffen wurde. Im Unterweltsbuch «Amduat» wird Mehen als eine gewundene Schlange beschrieben, die den Sonnengott in der Unterwelt empfängt und diesen auf seiner Barke durch seine Unterweltsreise begleitet und ihn umwindet, um so vor Gefahren und bedrohlichen Kräften der Unterwelt zu schützen. Er stand ihm den ganzen Weg zur Seite und unterstütze ihn bei der Himmelsfahrt, um ihm somit zum Aufstieg zu verhelfen. Mehen wurde also als Mittel zur Transformation verstanden, ein Prozess in Form einer Reise wiedergeboren zu werden. Im neuen Reich verlor Mehen allmählich seine alte Bedeutung und man findet ihn hauptsächlich nur noch in astronomischen Texten, in welchem er verschiedenen Stunden in der Nacht zugeordnet wurde und Re im Kampf gegen die Schlange Apophis zur Seite stand.

Schlangengott Mehen auf der Sonnenbarke durch die Reise der Unterwelt

Spielablauf

Der Spielablauf von Mehen ist nicht ganz geklärt, jedoch gibt es einige Interpretationsversuche. Das Spiel bestand aus einem Brett mit einer gewundenen Schlange und bis zu sechs Personen konnten mitspielen. Jeder Spieler erhielt dabei jeweils sechs Murmeln und eine Spielfigur in der Gestalt eines Löwen oder einer Löwin. Als Würfel wurden vermutlich die Würfelstäbe verwendet, welche man auch für andere Spiele nutzte. Der Spieler musste eine Murmel nach der anderen vom Schwanzende zum Kopf der Schlange führen und wieder zurück, hatte er dieses Ziel erreicht, durfte er nun die Löwenfigur benutzen. Der Gewinner war der, welcher zuerst mit dem Löwen wieder vom Schwanzende durch die Spirale zum Kopf der Schlange gelangte, um sich so mit der Gottheit in der Mitte zu vereinen und wieder zurückkehren, um die Auferstehung zu garantieren und um das Göttliche zurück auf die Erde zu bringen.

Spielbrett

Diverse Spielbretter

Löwen Spielfiguren Symbolik Spirale und Kundalini

Uns allen ist vermutlich die Kundalini und die Spirale ein Begriff, daher werde ich die beiden Themengebiete nur kurz anschneiden, da ich Euch hier hauptsächlich ihre Verbindungen zum Spiel näherbringen möchte.

Das Mehen-Spielbrett zeigt uns ganz klar eine Spirale in Form einer Schlange. Die Spirale gilt als eines der ältesten Symbole und wird oft als eine sich in Wirbelform manifestierenden kosmischen Lebenskraft beschrieben, welche sowohl im Mikro- als auch im Makrokosmos vorhanden ist. Der Weltraum ist nicht leer, sondern erfüllt von einem in beständiger Bewegung befindlichen Medium. Diese feinstoffliche Flüssigkeit erfüllende Lebensenergie befindet sich im ganzen Weltraum und ist eng verwandt mit dem Begriff des Äthers.


Zusammengerollte Kundalini (Indien) Wie wir aus den tantrischen Lehren entnehmen können, befindet sich die Kundalini ruhend am unteren Ende der Wirbelsäule und wird symbolisch als eine im untersten Chakra schlafende und zusammengerollte Schlange dargestellt. Sie gilt als die der Materie am nächsten stehende Kraft im Menschen. Durch unterschiedliche Praktiken kann sie erweckt werden und aufsteigen. Erreicht sie das oberste Chakra, wird sie sich mit der kosmischen Seele vereinigen und der Mensch höchstes Glück und gar Unsterblichkeit erlangen. Erst hier vereinigt sie sich nach tantrischen Lehren in ihrer transformierten Form mit den kosmisch-spirituellen Kräften. Die Symbolik der zusammengerollten Schlangen erinnert also stark an das Brettspiel Mehen. In den Texten des Rahotep lesen wir ebenfalls, dass man beim Spiel die Schlange aufspulen muss, was erneut an die Kundalini erinnert. Es kann also angenommen werden, dass die alten Ägypter über das Wissen der Kundalinikraft gut Bescheid wussten und dieses in symbolischer Form und eigenen Worten übermittelten. Das Spiel konnte dafür genutzt werden, um angehenden Priester mit der Kundalini vertraut zu machen und den Prozess anhand eines Spieles zu simulieren, als eine Art Übung mit tiefenpsychologisch-symbolischer Verknüpfung in Form von Meditation und Imagination. Ebenfalls war ein Beiname von Gott Mehen «Anch/Ankh», was so viel wie «Leben» bedeutet und ein erneuter Hinweis auf die Lebenskraft ist. In gewissen Texte ist oft die Rede von einem zweiköpfigen Mehen, dieser zweiaspektige und polare Charakter deutet unter anderem auf die ambivalente Symbolik der Schlange hin, die sowohl für Krankheit als auch für Heilung steht. Ebenfalls weist das Spiel auch Ähnlichkeit zum Ouroboros auf, der Schlange, welche sich selbst in den Schwanz beißt und somit einen geschlossenen Kreis bildet, man findet diese Symbolik der Schlange ebenfalls des öfteren in Ägypten, besonders in Särgen. Ein weiterer und sehr interessanter Punkt für mich ist, dass viele Murmeln des Spiels mit der Farbe rot und weiß bemalen sind. Wir kennen die rote und die weiße Farbe der ägyptischen Doppelkrone und die alten Ägypter stellten oft die Ober- und Unterwelt mit diesen Farben dar. Ebenfalls sind uns die beiden Farben auch aus dem Tantrismus in Form von Pingala (rot) und Ida (weiß) bekannt. Pingala und Ida sind zwei Energiekanäle, welche der Wirbelsäule entlang strömen. In der abendländischen Alchemie finden wir das Paar der roten und weißen Tinkturen in der zentralen Lehre der Transformation der Seele. Die altägyptische Unterweltsfahrt der Sonne entspricht auch immer dem altägyptischen Jenseitsweg der Verstorbenen. Erst der Aufgang der Sonne ermöglicht es dem Toten, ins Jenseits einzutreten. Diese Unterweltsfahrt ist jedoch in symbolischer Hinsicht nicht nur ein Weg der Toten, denn für den angehenden Priester war es eine Art Reise durch die psychosomatischen Schichten, eine Reise in die Tiefen des Unterbewusstseins (Unterwelt), welches ihm letztendlich auch den Weg zum ewigen Leben öffnen sollte. So ergeht ein Erwachen der Kundalini stets mit einem spirituellen-symbolischen Tod einher und einer Wiedergeburt in eine neue Bewusstseinsqualität.


Die Strassen (Rennstrecke) von Mehen Rätselhaftes Verschwinden

Wie bereits oben erwähnt, gewann Mehen im alten Reich an großem Einfluss und zählte mit Abstand zum beliebtesten Spiel. Doch inmitten seines Höhepunkts wurde das Spiel abrupt eingestellt, bis es dann völlig verschwand. Diese Tatsache ist extrem rätselhaft. Immerhin wurde Mehen zu einem festen Bestandteil der ägyptischen Kultur und Priesterschaft. Eine Erklärung für das plötzliche Verschwinden kann sein, dass das Spiel in Verruf geriert, vieles deutet auf einen Konflikt innerhalb der Priester und des Volkes hin. Anscheinend glaubten gewisse Ägypter, dass das Spiel zu mächtig sei und begannen es zu fürchten. Denn wie so oft in der Geschichte, immer dort wo Magie als fester Bestandteil gilt und gelebt wird, gibt es auch Menschen, die sich davor fürchten. Man stufte die Priester vermutlich als zu mächtig ein oder einige von ihnen missbrauchten gar ihre Macht. Das Aufsteigen der Kundalini kann jedoch auch Gefahren in sich bergen. Den Priester war bewusst, eine gute Vorbereitung und ein innerer Reinigungsprozess war entscheidend für ein "gesundes" und stabiles Kundalini-Erwachen, wurde diese Bedingungen nicht sorgfältig erfüllt, folgten die Gefahren einer "zu früh erwachten Kundalini". Nach Abbruch des Mehens fand man vermehrt Spielbretter, welche einen Schnitt durch die ganze Schlange hindurch aufwiesen, womit man kennzeichnen wollte, die Schlange getötet zu haben. Ebenfalls gab es zu dieser Zeit viele Darstellungen, wie Schlangen geköpft und getötet wurden, um die Menschen vor jeglichem Schaden zu schützen, welche die Schlange in der Vergangenheit angeblich verursacht hatte. Ab der elften und zwölften Dynastie wurde das Spiel dann gänzlich verboten und tauchte nicht wieder in Erscheinung. Anders als andere Kulturen legten die alten Ägypter viel Wert auf Geheimhaltung. Magisches Wissen wurde erst geteilt, wenn der angehende Priester dafür reif genug war. Die Priester und Magier waren sich bei der Verwendung von Magie ihrer Eigenverantwortung stets bewusst und setzten diese nur ein, wenn es notwendig war. So pflegten sie zu sagen: "Wenn man Magie wirklich anwenden kann, wird man sie kaum noch benutzen…und wenn doch, dann nur mit vollster Achtsamkeit."




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